Keine Dringlichkeit, wenn sowohl Bewertung als auch Google-Konto gelöscht

01. Juli 2024
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vier Strichmännchen mit Strenbewertung in Sprechblasen Beschluss des OLG Bamberg vom 13.02.2024, Az.: 6 U 42/23 e

Das OLG Bamberg hat eine Berufung auf einstweiligen Rechtsschutz bezüglich der Unterlassung negativer Kundenbewertung zurückgewiesen. Unsere Kanzlei, die die Beklagtenseite vertritt, konnte somit einen Erfolg verbuchen. Das Gericht führte aus, dass es an der Glaubhaftmachung der Eilbedürftigkeit fehle, wenn eine Auffindbarkeit der negativen Rezension nicht nachgewiesen werden kann und der Beklagte die betroffene Bewertung sowie das verwendete Google-Konto gelöscht und die Tätigkeit als „Local Guide“ eingestellt hat. Die von der Klägerin vorgetragene Unsicherheit durch eine erneute Veröffentlichung begründet daher keine Dringlichkeit. Auch bestehe durch die nicht mehr auffindbare Bewertung keine Gefahr für die Rechtsverwirklichung der Klägerin im Hauptsacheverfahren.

OLG Bamberg

Hinweisbeschluss vom 13.02.2024

Az.: 6 U 42/23 e

 

Fehlende Eilbedürftigkeit nach Löschen negativer Kundenbewertungen durch Local Guide

Leitsätze:

Zur Frage der Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes der Eilbedürftigkeit im Sinne der §§ 935, 940 ZPO.

  1. Von einer gelöschten, nicht mehr im Internet auffindbaren negativen Kundenbewertung geht grundsätzlich keine Gefahr für die Rechtsverwirklichung der Verfügungsklägerin im Hauptsacheverfahren aus. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
  2. Dies gilt umso mehr, wenn der Verfügungsbeklagte durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht hat, dass er alles ihm Mögliche getan hat, um eine – von ihm nicht beabsichtigte – erneute Veröffentlichung der Bewertung zu unterbinden, nämlich in dem er alle von ihm verfassten Bewertungen gelöscht, seine Tätigkeit als „Local Guide“ beendet und das von ihm in diesem Rahmen und zur Erstellung der Bewertungen verwendete Google-Konto gelöscht hat. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

  1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 02.10.2023 im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festzusetzen.
  2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis längstens 08.03.2024.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Verfügungsklägerin verlangt vom Verfügungsbeklagten Unterlassung einer im Internet veröffentlichten negativen Kundenbewertung.

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden nur Klägerin) vertreibt im Internet Speichermodule für …-Geräte. Der Verfügungsbeklagte (im Folgenden nur Beklagter) war Kunde der Klägerin. Er war in der Folge der Auffassung, die ihm von der Klägerin verkauften Speichermodule seien mangelhaft. Der Beklagte verfasste und veröffentlichte daraufhin als sogenannter „Local Guide“ auf der Website www…com unter dem Pseudonym „…“ eine negative Bewertung über die Klägerin, die jedenfalls im Juli und August 2023 für jedermann zugänglich im Internet abrufbar und einsehbar war. Die Klägerin mahnte den Beklagten mit Schriftsatz vom 21.08.2023 erfolglos ab (vgl. Anlagen ASt 1, Ast 2). Nach der Abmahnung löschte der Beklagte jedoch alle jemals von ihm als „Local Guide“ verfassten Bewertungen, also auch diejenige, welche die Klägerin zum Gegenstand hatte, zusätzlich sein Google-Konto, über das er diese Bewertungen gepostet hatte, und beendete seine Teilnahme am „Local Guide“-Programm (Anlage AG 1). Die vom Beklagten verfasste Bewertung war daraufhin jedenfalls im September 2023 nicht mehr auffindbar (vgl. Bl. 36 der eAkte).

Die Klägerin hat den Beklagten in erster Instanz im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen, da sie der Auffassung war, die vom Beklagten verfasste und veröffentlichte Bewertung enthalte Schmähkritik und unwahre Tatsachenbehauptungen.

Das Landgericht hat den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Endurteil vom 02.10.2023 abgewiesen, da ein Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO) nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die Klägerin habe eine Dringlichkeit ihres Antrags, die von der Wiederholungsgefahr als Voraussetzung des Verfügungsanspruchs zu unterscheiden sei, nicht hinreichend dargelegt. Da die Rezension durch die mittlerweile durchgeführte Löschung im Internet derzeit nicht zu finden sei, sei nicht ersichtlich, warum der Klägerin ein Zuwarten bis zu einer Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren nicht zumutbar sein solle. Eine Eilbedürftigkeit könne daher nicht angenommen werden.

Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz im Übrigen, insbesondere wegen der im Verfahren in erster Instanz gestellten Anträge sowie dem Wortlaut der vom Beklagten verfassten und veröffentlichten Bewertung wird Bezug genommen auf die Feststellungen im angegriffenen Ersturteil (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO).

Gegen das vorgenannte Endurteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre Sachanträge weiterverfolgt und zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt:

Das Landgericht messe dem Schreiben des Beklagten vom 23.08.2023 (Anlage ASt 2) eine Bedeutung bei, die ihm nicht zukomme. Sodann beziehe sich das Landgericht auf die Mitteilung des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung vom 25.09.2023, wonach er die (streitgegenständliche) Rezension bislang nicht wiedergefunden habe. Basierend auf diesen beiden Äußerungen verneine es die Dringlichkeit. Diese Folgerung sei unzulässig. Es liege nicht in der Verantwortung der Klägerin, glaubhaft zu machen, dass die veröffentlichte Rezension weiterhin abrufbar sei und sie andauernd durch die Rezension eine Rechtsverletzung erleide. Vielmehr habe der Beklagte dafür zu sorgen, dass die Rezension nicht erneut veröffentlicht werde oder nicht noch abrufbar sei. Zudem habe der Beklagte vorgerichtlich angegeben, er werde keine Unterlassungserklärung abgeben, da er nie wissen könne, ob Google nicht doch irgendwann – auch ohne sein Zutun – seinen Text wieder veröffentlichen werde (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung am 25.09.2023). Genau in dieser Unsicherheit, wann und wo die streitgegenständliche Rezension wieder veröffentlicht werden könnte, liege auch die Dringlichkeit begründet. Verweise man die Klägerin auf das Ergebnis eines Hauptsacheverfahrens, könnten mehrere Jahre vergehen, bis ein rechtskräftiges Urteil über die Rechtswidrigkeit der Rezension vorliege. Im Falle einer zwischenzeitlichen Veröffentlichung hätte die Klägerin während der gesamten Verfahrensdauer keine Möglichkeit, die weitere Veröffentlichung wirksam zu unterbinden. Der Beklagte hätte nicht einmal die Pflicht, für die Entfernung der Rezension zu sorgen oder auch nur beim Versuch ihrer Entfernung mitzuwirken. Das würde die Verfügungsklägerin schutzlos stellen. Dieser rechtswidrige Zustand könne nur beseitigt werden, indem die Pflicht zur Beseitigung der Rezension demjenigen auferlegt werde, der sie verfasst und veröffentlicht hat. Da die erneute Veröffentlichung nach den eigenen Aussagen des Beklagten jederzeit drohe, sei auch die Dringlichkeit gegeben.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Ersturteil und erwidert auf das Berufungsvorbringen unter anderen, dass die Klägerin nicht glaubhaft machen könne, dass die Rezension noch abrufbar sei und daher keine andauernde Rechtsverletzung erleide. Eine Rezension, welche von einem zwischenzeitlich gelöschten Google-Konto veröffentlicht wurde, könne nicht wieder veröffentlicht und abrufbar werden (vgl. Anlage AG 3).

Wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren im Übrigen wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 04.12.2023 und die Berufungserwiderung vom 12.02.2024.

 

II.

Nach der einstimmigen Auffassung des Senats ist die zulässige Berufung der Klägerin offensichtlich unbegründet, so dass das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinn des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO bietet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann daher zunächst auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen werden. Das Berufungsvorbringen veranlasst lediglich die nachfolgenden, ergänzenden Anmerkungen:

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass nach der Löschung der Bewertung durch den Beklagten, der Nichtauffindbarkeit der Bewertung, dem Ausstieg des Beklagten aus dem „Local Guides“-Programm und der Löschung seines Google-Kontos der Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit im Sinne des §§ 935, 940 ZPO nicht glaubhaft gemacht ist.

1. Der Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit (auch „Dringlichkeit“) liegt vor, wenn die objektiv begründete Gefahr besteht, dass durch Veränderung des status quo die Rechtsverwirklichung des Gläubigers mittels des im Hauptsacheprozess erlangten Urteils einschließlich dessen Vollstreckung vereitelt oder erschwert werden könnte (Drescher, in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 935 Rn. 15; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 935 Rn. 10; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 935 Rn. 13; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 43. Aufl. 2022, § 935 Rn. 6). Den Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit hat der Gläubiger glaubhaft zu machen (Drescher, a.a.O. Rn. 24; Vollkommer, a.a.O. Rn. 11; Korte, Praxis des Presserechts, 2. Aufl. 2019, § 5 Rn. 123).

2. Nach diesen Grundsätzen ist das Urteil des Landgerichts richtig und frei von Rechtsfehlern.

a) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Eilbedürftigkeit von der materiell-rechtlich notwendigen Wiederholungsgefahr zu unterscheiden und getrennt von dieser glaubhaft zu machen ist (Vollkommer, a.a.O. Rn. 10; Weberling, in: Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 7. Aufl. 2021, Kap. 44 Rn. 15a; OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 2015 – I-16 U 120/15, juris Rn. 7). Es bedarf daher keiner Entscheidung darüber, ob im Streitfall eine Wiederholungsgefahr noch gegeben ist.

b) Eine Fallgestaltung, in der die Eilbedürftigkeit kraft gesetzlicher Anordnung vermutet würde, liegt nicht vor. Hierauf beruft sich die Klägerin auch nicht.

c) Daher hätte die Klägerin, wie das Landgericht richtig gesehen hat, den Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit glaubhaft machen müssen. Dem in beiden Instanzen gehaltenen Vortrag der Klägerin lässt sich eine entsprechende Glaubhaftmachung indes nicht entnehmen.

Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die vom Beklagten verfasste und veröffentliche Bewertung nach der Löschung durch den Beklagten trotz gezielter Suche nicht mehr im Internet abrufbar war. Auch die Berufungsbegründung geht davon aus, dass die Bewertung gegenwärtig nicht mehr auffindbar ist.

Von einer gelöschten, nicht mehr im Internet auffindbaren Bewertung geht auch nach Ansicht des Senats keine Gefahr für die Rechtsverwirklichung der Klägerin im Hauptsacheverfahren aus.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin geltend gemachten „Unsicherheit“. Der Beklagte hat durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung (Anlage AG 1) glaubhaft gemacht, dass er alles ihm Mögliche getan hat, um eine – von ihm nicht beabsichtigte – erneute Veröffentlichung der Bewertung zu unterbinden. So hat er nicht nur alle (!) von ihm verfassten Bewertungen gelöscht, sondern auch die Tätigkeit als „Local Guide“ beendet und das von ihm in diesem Rahmen und zur Erstellung der Bewertungen verwendete Google-Konto gelöscht. Der Beklagte hat zudem – unwidersprochen – vorgetragen, dass die neuerliche Veröffentlichung nur bei einem „Fehler“ von Google möglich sei, wobei dafür aber nur eine „sehr geringe Wahrscheinlichkeit“ bestehe (Bl. 35 der eAkte). Zuletzt hat der Beklagte darüber hinaus glaubhaft gemacht, dass eine erneute Veröffentlichung nach Löschung seines Google-Kontos überhaupt nicht mehr möglich sei (Anlage AG 3).

Die demnach eher theoretische „Unsicherheit“ ist bei Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. Weber, a.a.O.; OLG Koblenz, Beschluss vom 10. Januar 2013 – 4 W 680/12, BeckRS 2013, 200061 Rn. 17) nach der Auffassung des Senats nach alledem nicht geeignet, eine ausreichende objektive bestehende Gefahr für die Rechtsverwirklichung der Klägerin zu begründen.

Die Auffassung des Landgerichts, die Klägerin habe eine Eilbedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht, ist nach alledem überzeugend und richtig.

 

III.

Die aussichtslosen Berufungsangriffe erfordern keine Erörterung in mündlicher Verhandlung.

Gegen ein Urteil des Senats wäre die Revision nicht statthaft (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Der Senat regt daher – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die kostengünstigere Rücknahme der aussichtslosen Berufung an, die zwei Gerichtsgebühren spart (vgl. Nr. 1220, 1222 Kostenverzeichnis GKG)

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